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RECHTSPRECHUNG
Die Rechtssicherheit steht der Annahme der Nichtigkeit nicht entgegen. Als im abgekürzten Verfahren die Staatsan waltschaft dem Bezirksgericht die Anklage einreichte und dieses sein Urteil fällte, war die Frage, ob dieses Verfahren zulässig war, noch nicht rechtskräftig geklärt. Entsprechend musste den Beteiligten von Anfang an bewusst sein, dass die im abgekürzten Verfahren vorgenommenen Prozess handlungen hinfällig werden könnten. Wenn die Vorinstanz die Nichtigkeit der Anklageschrift vom 18. Dezember 2014 und des Urteils des Bezirksgerichts vom 26. März 2015 festgestellt hat, hält das daher vor Bun desrecht stand. Wollte man anders entscheiden, könnten – was offensichtlich nicht angeht – die Staatsanwaltschaft und das Sachgericht in einem Fall wie hier vollendete Tatsachen schaffen, bevor die Zulässigkeit der Verfahrenstrennung im Rechtsmittelverfahren geklärt ist. […] Bemerkungen: Wenn Mittäterschaft oder Teilnahme (Gehilfenschaft, An stiftung) vorliegen, werden Straftaten gemeinsam verfolgt und beurteilt (Art. 29 Abs. 1 Bst. b StPO). Die Staatsan waltschaft und die Gerichte können aus sachlichen Grün den Strafverfahren trennen oder vereinen (Art. 30 StPO). Decken sich die Aussagen von Mitbeschuldigten nicht, muss anhand weiterer Beweismittel (Zeugen, Spuren, Gutachten, Verletzungsbild etc.) beurteilt werden, welche Darstellung schlüssig ist und die Anklage bzw. eine Verurteilung tragen kann. Ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, die Darstellung desjenigen, der das abgekürzte Verfahren beantragt, stimme mit den Akten überein, scheint es vertretbar, die Trennung des Verfahrens zu verfügen und die Akten dem Gericht zur Prüfung vorzulegen, denn das Gericht befindet frei darüber, ob die Durchführung des abgekürzten Verfahrens rechtmäs sig und angebracht ist und, ob die Anklage mit dem Ergeb nis der Hauptverhandlung und den Akten übereinstimmt (Art. 362 Abs. 1 Bst. a und b StPO). Teilt das Gericht die Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht, erachtet es die Gefahr sich widersprechender Urteile für zu gewichtig oder erkennt es keinen Effizienzgewinn, dann weist es die Akten zur Durchführung des ordentlichen Verfahrens zurück (Art. 362 Abs. 3 StPO). Vorliegend kamen offenbar sowohl Staatsanwaltschaft als auch Bezirksgericht zum Schluss, die Darstellung von A. sei schlüssig und stimme – trotz anderweitiger Behauptun gen von B. – mit den Akten überein. Um zu beurteilen, ob diese Einschätzungen sachlich gerechtfertigt waren, müsste man die gesamten Akten kennen. Dies spricht nun jedoch deutlich dagegen, dass der Mangel leicht erkennbar war und steht in Widerspruch zu früheren Entscheidungen des Bun desgerichts. In einem Fall, wo das Gericht nicht bedachte, dass die Einsprache als zurückgezogen gilt, wenn der An geklagte unentschuldigt nicht zur Hauptverhandlung er scheint, hielt das Bundesgericht zur Erkennbarkeit fest:
Belasten sich die Beschuldigten demnach gegenseitig und ist unklar, welcher Beschuldigter welchen Tatbeitrag am Tötungsdelikt geleistet hat, besteht bei einer Verfahrens trennung nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz die Gefahr sich widersprechender Entscheide, sei es in Be zug auf die Sachverhaltsfeststellung, die rechtliche Würdi gung oder die Strafzumessung. So könnte das Gericht im ordentlichen Verfahren – was hier in keiner Weise präjudi ziert werden darf, aber als Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss – zum Schluss gelangen, nicht der Beschwer deführer, sondern der Beschwerdegegner habe eine unter geordnete Rolle gespielt. Ein derartiger Widerspruch lässt sich nur bei einer einheitlichen Führung des Verfahrens ver meiden. Die Abtrennung verursachte zudem einen Mehrauf wand, da nicht mehr nur ein, sondern zwei Verfahren ge führt wurden. Dies widerspricht der Prozessökonomie. Im Zeitpunkt der Abtrennung war das Verfahren gegen den Beschwerdeführer im Übrigen nicht weiter fortgeschrit ten als dasjenige gegen die anderen Mitbeschuldigten. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot bestand daher kein Grund zur Abtrennung. Unter diesen Umständen verletzt es kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz zum Schluss gekommen ist, die Ver fahrenstrennung sei sachlich nicht begründet gewesen. […] 3.2. Ein rechtswidriger Entscheid ist im Allgemeinen anfecht bar. Von der Anfechtbarkeit zu unterscheiden ist die Nich tigkeit. Einem nichtigen Entscheid geht jede Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit ab. Die Nichtigkeit ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten. Nach der Rechtsprechung ist ein Entscheid nich tig, wenn der ihm anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgrund fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 139 II 243 E. 11.2 S. 260; 138 II 501 E. 3.1 S. 503; je mit Hinweisen). 3.3. Gegen die Mitbeschuldigten des Beschwerdeführers kann kein abgekürztes Verfahren geführt werden. Sie müs sen sich deshalb im ordentlichen Verfahren verantworten. Da die Abtrennung des Verfahrens gegen den Beschwerde führer unzulässig ist, muss auch er sich dem ordentlichen Verfahren stellen. Das abgekürzte Verfahren hätte daher nie durchgeführt werden dürfen. Die Anklageschrift vom 18. Dezember 2014 und das Urteil des Bezirksgerichts vom 26. März 2015 ergingen somit in einem unzulässigen Ver fahren, weshalb es diese Rechtsakte nie hätte geben dürfen. Dieser Mangel wiegt besonders schwer und ist leicht erkenn bar.
6/2016 forum poenale
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