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Art. 1096–1099 OR; Art. 110 Abs. 4 und 251 Ziff. 1 StGB (Eigener Wechsel, Urkunde, Urkundenfälschung): So­ fern keine besonderen Umstände vorliegen, kann aus einer in einem eigenen Wechsel enthaltenen Zahlungsverpflich­ tung nicht auf die Absicht des Ausstellers geschlossen wer­ den, die darin verkörperte Schuld zu bezahlen. Hinsichtlich des Zahlungswillens ist der eigene Wechsel keine Urkunde im Sinne von Art. 110 Abs. 4 und Art. 251 Ziff. 1 StGB. 13 Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (Amtsgeheimnisverletzung): Die Verpflichtung zur Geheimhaltung ergibt sich aus der besonderen Stellung des Behördenmitgliedes bzw. des Be­ amten. Es bedarf hierfür keiner besonderen ausserstraf­ rechtlichen Grundlage in dem für die Ausübung des Amtes massgebenden Gesetz. 14 Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO (Über­ spitzter Formalismus bei fehlender gültiger Unterschrift): Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum überspitzten Formalismus bei nicht formgültig unterzeichneten Rechts­ mitteleingaben 15 ist auch bei der Anwendung der Strafpro­ zessordnung zu beachten. Ist eine Rechtsmittelschrift einer Partei nicht rechtsgültig von dieser oder ihrem Vertreter unterschrieben, hat das Gericht eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen. Ausgenommen sind Fälle des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. 16 Art. 69 und 405 StPO (Art des Berufungsverfahrens nach Rückweisung durch das Bundesgericht): Im Falle eines bundesgerichtlichen Rückweisungsurteils richtet sich die Art des Berufungsverfahrens gemäss der Rechtsprechung ebenfalls nach Art. 405 f. StPO. Entscheidend für die Frage, ob das Rückweisungsverfahren mündlich oder schriftlich zu führen ist, sind der Rahmen des Rückweisungsentscheids des Bundesgerichts und dessen für das Berufungsgericht verbindlichen Erwägungen. Das Verfahren kann insbeson­ dere schriftlich geführt werden, wenn die Rückweisung aus­ schliesslich Rechtsfragen betrifft 17 . 18 Art. 83 Abs. 1 StPO (Erläuterung und Berichtigung ei­ nes Entscheides): Erläuterung und Berichtigung bezwecken nicht die materielle Überprüfung eines Entscheids, sondern dessen Klarstellung beziehungsweise die Korrektur offen­ sichtlicher Versehen. Ein solches liegt vor, wenn aus der Lektüre des Textes eines gerichtlichen Entscheids eindeutig hervorgeht, dass das, was das Gericht aussprechen oder an­ ordnen wollte, nicht übereinstimmt mit dem, was es tat­ 13 BGE 142 IV 119. 14 BGE 142 IV 65. 15 Vgl. BGE 120 V 413. 16 BGE 142 I 10. 17 Urteile 6B_1220/2013 v. 18.9.2014, E. 1.4; 6B_4/2014 v. 28.4.2014, E. 4; 6B_76/2013 v. 29.8.2013, E. 1.1. 18 Urteil 6B_57/2016 v. 26.5.2016. II. Strafverfahren

Beschwerdeführer gelieferten Druckers belief sich demnach auf rund einen Drittel des damals pro Monat imMittel ver­ fügbaren Einkommens eines Privathaushaltes. Dass der Kauf eines solchen Druckers durch eine Privatperson nicht alltäglich ist, ergibt sich auch aus den Aussagen des Vertre­ ters der Verkäuferin im vorinstanzlichen Verfahren, wonach er sich noch gedacht habe, ein Privater benötige nicht un­ bedingt ein solch leistungsstarkes Gerät. Gemäss den vor­ instanzlichen Feststellungen unterhielt der Beschwerdefüh­ rer vor dem fraglichen Geschäft keine Geschäftsbeziehung zu der Verkäuferin und es lag somit kein Vertrauensverhält­ nis irgendwelcher Art vor. Die Lieferung auf Rechnung bei über das Internet bestellter Ware ist generell eher unüblich, jedenfalls bei Bestellungen von Produkten mit einem – wie vorliegend – höheren Warenwert. Üblich ist die Bezahlung der Ware per Kreditkarte oder Vorauskasse, ehe diese ver­ sandt wird. Indem die Verkäuferin den für eine Privatper­ son unüblich leistungsstarken und entsprechend teuren Dru­ cker auf Rechnung an eine ihr unbekannte Privatperson lieferte, ging sie bewusst ein gewisses Risiko ein. Zusätzlich tätigte sie keinerlei Abklärungen hinsichtlich der Bonität des Beschwerdeführers. Es wäre der Verkäuferin indes ohne erheblichen zusätzlichen Aufwand möglich gewesen, das Gerät erst nach gesicherter Bezahlung zu versenden oder die Bonität des Beschwerdeführers zumindest rudimentär zu prüfen. Eine entsprechende Prüfung hätte gezeigt, dass der Beschwerdeführer angesichts seiner finanziellen Ver­ hältnisse zur Erfüllung des Kaufvertrags offensichtlich nicht fähig war und somit auch nicht ernsthaft leistungswillig sein konnte. 7 Dieser zusätzliche Aufwand kann angesichts der konkreten Umstände nicht als unverhältnismässig oder unzumutbar bezeichnet werden. Die Verkäuferin hat sich gegenüber dem Beschwerdeführer, der sich keiner besonde­ ren Machenschaften bediente, auch nicht in einer unterge­ ordneten Stellung befunden. 8 Das Verhalten der Verkäuferin muss deshalb unter Berücksichtigung der Gegebenheiten als leichtfertig eingestuft werden. Von einer arglistigen Täu­ schung durch den Beschwerdeführer kann nicht gesprochen werden. 9 Die Missachtung grundlegendster Vorsichtsmass­ nahmen durch die Verkäuferin lässt dessen Verhalten vor­ liegend ausnahmsweise in den Hintergrund rücken 10 . 11 Art. 173 und 178 Abs. 1 i.V.m. 98 lit. a StGB: (Üble Nachrede begangen durch einen im Internet publizierten Text, Verfolgungsverjährung): Die üble Nachrede, began­ gen durch eine ehrverletzende Äusserung in einem Blog auf einer Internetseite, ist ein Zustandsdelikt. Die Verfolgungs­ verjährung beginnt mit der Publikation. 12 7 Vgl. BGE 118 IV 359, E. 2, 361 mit Hinweisen. 8 Vgl. BGE 125 IV 124, E. 3b, 128. 9 Vgl. Urteil 6B_663/2011 v. 2.2.2012 E. 2.3.3 mit Hinweis auf BGE 118 IV 359, E. 2. 10 Vgl. BGE 135 IV 76, E. 5.2, 81 mit Hinweisen. 11 Urteil 6B_887/2015 v. 8.3.2016. 12 BGE 142 IV 18.

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